„Unser Zugang ist: Koste es, was es wolle, um Arbeitsplätze zu sichern.“ Ein Zitat, das in die Geschichte der Republik eingehen wird. Träger dieses O-Tons ist ausgerechnet jener Mann, der in diesen Wochen der Feuerwehrmann des Landes ist. Und der Brandherd, den er löschen muss, ist ungemein groß. Doch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) macht auch als Krisenmanager gute Figur. Im Zuge der Corona-Krise präsentiert sich der 33-Jährige wie man ihn kennt: Sachlich, smart, unaufgeregt. Mitte März kündigt seine Türkis-Grüne Regierung ein 38-Mrd.-Euro-Paket zur Rettung vor den Corona-Folgen an, um die Republik vor dem völligen Desaster zu retten. Täglich informiert der Kanzler gemeinsam mit Innenminster Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) über die neuesten Entwicklungen und Maßnahmen in Zeiten von Covid19. Und Österreich ist auf gutem Wege die „größte Herausforderung seit dem Zweitem Weltkrieg” (OT-Kurz) zu überstehen. Worte, die sich einprägen. Worte, die Mut machen. Worte, an die wir uns noch lange erinnern werden. Doch wer ist Sebastian Kurz? Was zeichnet ihn aus?
Politik ist im Leben des Sebastian Kurz schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Michael Spindelegger und Johannes Hahn fördern den talentierten Wiener, der seine ersten Erfahrungen 2009 als Obmann der Jungen ÖVP (JVP) sammelt. Im zarten Alter von 24 übernimmt Kurz, der zuvor Jus studiert hat, gleich ein wichtiges Regierungsamt: Er leitet die Agenden des Integrationsstaatssekretariats. Der Aufstieg einer steilen Politkarriere beginnt. Die ÖVP-Zukunftshoffnung agiert schon damals anders als andere Polit-Dinos: Er ist stets höflich und hört seinem Gegenüber interessiert zu und verzichtet auf die Krawatte. Positive Gesten, die auch von der Wählerschaft goutiert werden. Sein Auftreten wirkt bescheiden, seine Freizeitinteressen (Wandern und Segeln) bodenständig. Während andere nach Ibiza oder Monaco reisen, um dort auf den Putz zu hauen, verbringt Kurz seinen Urlaub lieber mit Freundin Susanne in Südtirol. Bis heute wohnt der ÖVP-Chef im Wiener Arbeiterbezirk Bezirk Meidling, dem er von Geburt an treu geblieben ist. Kurz macht sich auch politisch einen Namen und wird im Dezember 2013 Außenminister. Damals ist er 29 Jahre alt. Und er hat Visionen. Im Mai 2017 übernimmt Kurz die in die Jahre gekommene schwarze ÖVP, färbt sie türkis ein und richtet die neue Bewegung mit seiner Person an der Spitze ein. Mit Erfolg. Die ÖVP wird modernisiert und in den Spitzenpositionen auch deutlich verjüngt. Viele seiner Vertrauten sind nicht älter als 35. Ein anderer sieht hingegen ziemlich alt aus. Der zuvor vielumjubelte Kurzzeitkanzler Christian Kern (SPÖ) verliert die Nationalratswahl 2017 nach einem desaströsen Wahlkampf, die Sozialdemokraten müssen in Opposition. Der damals 31-jährige Kurz gewinnt auch dank einer strikten Migrationspolitik (Schließung der sogenannten Balkanroute) die Wahlen und wird damit der jüngste Staatschef der Welt. Die ÖVP geht ein Bündnis mit der rechten FPÖ ein. Während die ÖVP in den kommenden eineinhalb Jahren die Zügel stets in Händen hält, sind die Freiheitlichen immer wieder in Skandale (Einzelfälle) involviert. Doch in diesen Monaten werden zahlreiche Reformen im Rekordtempo abgespult. Das Land ist in Bewegung.
Kommentatoren beschreiben Kurz als ehrgeizig, fokussiert und gewinnend. Er pflegt einen neuen Stil, will eigene Konzepte statt andere anzupatzen. Der Kanzler agiert stets verbindlich, aber hart in der Sache, trifft seine Entscheidungen überlegt und geht unbeirrt seinen Weg. Mit Coolness und Beharrlichkeit schaffte es der Wiener mit niederösterreichischen Wurzeln auch, während der zweijährigen Regierung an der Seite der FPÖ meist zu glänzen und wenig Schaden zu nehmen. Kurz saugt Meinungen, Einschätzungen und Ideen regelrecht auf und sucht dafür den Kontakt mit unterschiedlichsten Menschen. Er beweist Leadership. Zahlreiche erfolgreiche Promis unterstützten Kurz: Niki Lauda, Vitali Klitschko und Thomas Muster zählen zu seinen Supportern.
Doch dann kommt Ibiza. Ein Video, das die Republik im Mai 2019 auf den Kopf stellt. Vizekanzler Strache tritt ab, wenig später platzt auch die Regierung. Kurz dazu lapidar: „Genug ist genug.” Mit diesen Worten beendet der junge Kanzler am 18. Mai 2019 die Koalition mit der FPÖ – seine politisch seine bitterste Stunde. Er der stets alles genau plant, kann diese hochbrisante Situation nicht kontrollieren. Die Parlamentsmehrheit (SPÖ-FPÖ-JETZT) wählt die Regierung ab, der ÖVP-Chef ist somit Alt-Kanzler.
Doch als Spitzenkandidat der Türkisen feiert er ein unvergleichliches Comeback. Auf die Rückkehr ins Hohe Haus verzichtet der Polit-Profi und tourt stattdessen durch alle Bundesländer, wo er bei etlichen Begegnungen mit den Wählern die Basis für den späteren Wahltriumph schafft. Wie Phoenix aus der Asche erreicht Kurz mit seiner Partei schließlich 37,5 % (plus 6,0 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2017). Statt Migration ist 2019 das Thema Umwelt en vogue. Die Grünen werden der Junior-Partner in der neuen Regierung. Ein zukunftsweisendes Projekt, das mit Volldampf für viele Reformen arbeitet. Doch dann folgt die größte Krise der Zweiten Republik.
Covid19 ist freilich noch lange nicht besiegt. Das weiß auch der Kanzler, der nichts beschönigt, sondern die Fakten auf den Tisch legt: „Die Krankheit bringt Leid und vielen Menschen den Tod… Nehmen Sie die Situation ernst und glauben Sie den Beschwichtigungen nicht!“, heißt es in einem Tweet des Bundeskanzlers. “Nur gemeinsam können wir die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen.” Sebastian Kurz hat in seinen jungen Jahren schon viele Hindernisse erfolgreich umschifft. Der Kapitän der Republik Österreich wird unser Land wohl auch im Krisenjahr 2020 in sichere Gewässer steuern. Doch auch Österreich ist keine Insel der Seligen. Zunächst müssen wir alle durch den Sturm der Ungewissheit segeln. Wie heftig und wie lange dieser ausfällt, ist ungewiss. Doch gemeinsam werden wir alle gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.